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Als Herzog Georg im Oktober 1631 infolge eines Traktates von Würzburg in einer Stellung als Verbündeter dem Schwedenkönig sich verpflichtete, ließ er im ganzen Niedersachsen die Werbetrommel rühren. Seine eigenen Garden und die seiner Brüder in Celle, Schloßwache genannt, sowie einige 1617 errichtete Infanterie-Kompagnien bildeten den Stamm einexerzierter und disziplinierter Soldaten, aus dem jetzt die welfische Truppenmacht erstehen sollte, aus der wiederum nach der späteren Vereinigung der Fürstentümer Celle und Hannover im Jahre 1705 die hannoversche Armee hervorging. Das Jahr 1631 ist mithin als Geburtsjahr der hannoverschen Armee anzusehen. Es waren 3 Kavallerie- und 3 Infanterie-Regimenter, die Herzog Georg zunächst errichtete, und wozu in überwiegender Zahl Landeskinder herangezogen waren. Auch besaß Georg eine gute, aber kleine Artillerie und einen großen Pontontrain. Er konnte gleichzeitig an zwei Stellen die Weser überbrücken. Die Kavallerie-Regimenter sind als Kürassiere, schwer gepanzert und bewaffnet mit Degen und Pistole, die Infanterie-Regimenter je zur Hälfte als gepanzerte Pickeniere mit Lanzen und Degen, zur anderen Hälfte als ungepanzerte Musketiere mit Gewehren und Degen bewaffnet zu verstehen. Die Stärke jedes Reiter-Regiments ist auf ungefähr 1000 Mann, die jedes Fußregiments auf ungefähr 2000 Mann zu setzen. Georg war auch der erste, der einen ständigen Generalstab bildete, an dessen Spitze er den Oberst von Merode stellte.

Die Kavallerie-Regimenter waren in je 6 Kompagnien eingeteilt, die taktisch drei Schwadronen formierten. Die Schwadron war 5 Glieder tief aufgestellt, und griff mit dem Degen in der Faust im Galopp an, im Gegensatz zu allen anderen Kavallerien, die vor dem Einbruch hielten, die Pistolen abfeuerten, was auf nächste Entfernung vom Gegner geschah, und dann im Trabe vorritten. Die Infanterie war durch Drillmeister einexerziert. Jedes Regiment formierte 12 Kompagnien. Die Pickeniere standen auf beiden Flügeln, die Musketiere in der Mitte. Als Feuerwaffe diente die schwedische leichte Muskete mit Luntenschloß und hölzernem Ladestock. Die Musketiere feuerten in 5 geöffneten Gliedern, liegend, kniend, gebückt und stehend, die stehenden Schützen benutzten die Auflegegabel. Gegen Kavallerie wurde im Handgemenge die Saufeder benutzt, eine Art Jagdspeer. Das Artillerie- und Ingenieurwesen war eng verbunden, keine organisierte Truppe, sondern Ingenieure, Mineure und Zimmerleute usw. wurden im Kriege angeworben, um die Geschütze zu bedienen und die Erdarbeiten auszuführen.

Es ist unmöglich, im Rahmen dieser Darstellung auf die Organisation, Bewaffnung, Bekleidung, Verpflegung usw. der Truppen näher einzugehen. Hier soll nur die ruhmreiche und tatenfrohe Kriegsgeschichte der Armee geschildert werden, die mit den Kriegstaten des Herzogs Georg beginnt. Es sei vorausgesagt, daß bei Georgs Feldzügen immer das Bestreben zu erkennen ist, den Krieg nach Möglichkeit von Niedersachsen fern zu halten und besonders deshalb die Weserübergänge in seine Gewalt zu bekommen.

Offiziere vom Weißen Regiment 1631

Als der Herzog im Mai 1632 das Kriegstheater in unserer Heimat als Verbündeter Gustav Adolfs wieder betrat, waren die meisten festen Plätze Niedersachsens in Händen der Liga. Zwar war Tilly im Vorjahre am Lach vor Augsburg gegen Gustav Adolf, der selbst in Süddeutschland stand, gefallen, aber der Reitergeneral Graf Pappenheim, dem Kaiser Ferdinand II. die Anwartschaft auf das Land Calenberg verliehen hatte, saß in seinem Hauptquartier in Hameln an dem wichtigen Weserübergang, so recht an dem Tore für Calenberg. herzog Georg hatte seine sechs Regimenter im Norden des Fürstentums Celle, in Winsen a.d. Luhe, aufgestellt, und tat nun die ersten Schritte zur Befreiung der Heimat.

Ihm war ein schwedisches Korps unter dem General v. Baudissin, welches vorher im Bremischen gegen Pappenheim operiert hatte, zur Unterstützung zugesagt. Aber da dieses Korps noch nicht eingetroffen war, konnte Georg vorläufig nur Operationen in kleinem Umfange vornehmen.

Er brach am 18. Mai von Winsen nach Süden auf und schlug am 29. Mai in der Neustadt von Hannover sein Hauptquartier auf. Die starke Festung Hannover hatte sich mit Erfolg aller Aufnahme von Truppen entziehen können, doch hatte nach langen Verhandlungen mit Georg der Magistrat eingewilligt, drei Kompagnien des Herzogs sowie dessen Gemahlin bei sich aufzunehmen. Auf diese Weise hatte Georg den stärksten Stützpunkt des Landes in seinem Besitz.

Georgs Plan war zunächst, die beiden festen Schlösser Calenberg und Steuerwald von feindlicher Besatzung zu säubern. Er detachierte am 9. Juni die Obersten v. Lohausen und von der Heyden mit zwei Infanterie-Regimentern zur Besetzung von Hildesheim und zur Belagerung von Steuerwald dorthin, er selbst nahm zum Schutz dieses Unternehmens mit zwei Kavallerieregimentern, seinem Leibregiment und dem Regiment v. Wettberg eine Bereitschaftsstellung beim Dorfe Linderte vor dem Deister. Von hier konnte er sowohl die Straße von Minden als auch die von Hameln, die hier zusammenstoßen, beobachten. Von beiden Weserfestungen aus war der Versuch des Entsatzes von Steuerwald zu erwarten, und richtig hatte Pappenheim von Hameln aus den General Ludloi mit einem bedeutenden Kavalleriekorps zu diesem Zwecke detachiert. Ludloi marschierte über Elze, Poppenburg, wo er die Leine überschritt, und Sarstedt auf den Hülperberg (Kipphut) nordöstlich von Sarstedt, und stellte sich hier zunächst mit der Front gegen Steuerwald auf. Gegen die Belagerer des Schlosses wurden Aufklärungsabteilungen vorgeschickt, damit Ludloi nach dem Ergebnis der Aufklärung seine Maßnahmen zum Entsatz der Festung treffen konnte. Sein Kavallerie-Korps biwakierte währenddem in der angegebenen Front.

Herzog Georg, durch seine Patrouillen von den Bewegungen des Gegners genau unterrichtet, beschloß, den bedeutend überlegenen Feind zu überfallen, der, durch die Leine im Rücken geschützt, von hier keine Gefahr vermutete. Diesen Fluß wollte Georg mit seinen beiden Kürassierregimentern an einer seichten Stelle, die ihm ein Bauer aus Linderte zu zeigen sich anheischig gemacht hatte, nächtlicherweise durchreiten und dann sofort den Überfall ausführen. Gegen Abend brach der Herzog, geführt von dem Bauern, mit den beiden Regimentern auf und erreichte auch die als seicht bezeichnete Stelle. Aber durch Regengüsse war die Leine stark angeschwollen. Man weiß, was für ein gefahrvolles Unternehmen es ist, eine Furt bei Hochwasser und starker Strömung zu durchreiten, noch dazu bei Nacht und mit schwer gepanzerten 2000 Reitern, dicht hinter der feindlichen Front. Aber der Herzog zeigte seine echten Führereigenschaften, hier, wo schnelles Handeln das einzige Gebot der Stunde war. Als erster hat er sich sofort zu Pferd in die Leine gestürzt und hat glücklich das andere Ufer erreicht. Es wird erzählt, daß seine Kürassiere zunächst noch gestutzt hätten, daß aber auf den Ruf des Herzogs: "Folgt, folgt!" als erster nach ihm ein Reiter seines Leibregiments, namens Barthold aus Wettbergen, den Sprung in den Fluß gewagt hätte, worauf beide Regimenter nacheinander die Furt ohne Unfall durchritten. Jedenfalls ist der Herzog als erster in der Gefahr voran und seinen Leuten ein wahrer Führer gewesen, wie in noch vielen Fällen später. Am anderen Ufer hat Georg in der Stille der Nacht seine beiden Regimenter zum Angriff formieren lassen und im ersten Morgengrauen den Überfall auf das ahnungslose, sehr überlegene feindliche Kavallerie-Korps ausgeführt. Der mit großem Ungestüm unternommene Angriff gelang vollständig; der Feind wurde zum großen Teil niedergemacht oder gefangen genommen, der General Ludloi entkam mit dem Rest nach Hameln. Die Belagerung von Steuerwald konnte ungestört ihren Fortgang nehmen und führte nach kurzer Zeit zur Übergabe des Schlosses.

Dieses erste, nur in kleinerem Rahmen ausgeführte Unternehmen Georgs in diesem Kriegsabschnitt ist insofern von besonderem Interesse, weil es dicht bei Hannover, Georgs künftiger Residenz, sich abspielte. Der Herzog belohnt den Reiter Barthold, der ihm als erster durch die Leine gefolgt war, dadurch, daß er ihm den Namen Volger gab, ihn als stete Ordonnanz in den folgenden Feldzügen bei sich behielt und ihn mit einem Hofe in Wettbergen belohnt, auf dem seine Nachkommen noch gegenwärtig sitzen sollen. Dem Bauern aus Linderte, der ihn sicher zu der Furt geführt hatte, erteilte der Herzog für seinen Hof Befreiung von allen Abgaben.

Georg wandte sich jetzt zur Belagerung des sehr festen Schlosses Calenberg. Dieses Unternehmen sollte zu einem zweiten glücklichen Gefechte die Veranlassung geben. Der Graf v. Pappenheim hatte kurz nach der Detachierung des Generals Ludloi sich von Hameln südwärts nach Westfalen gewandt. Es hatte nämlich dort sein sehr tätiger General Graf Gronsfeld glücklich gegen die Truppen des Landgrafen von Hessen operiert und bei Volkmarsen, nicht weit von Waldeck, 14 Cornetten hessischer Reiter überfallen und größtenteils aufgerieben. Der Begriff Cornetten entspricht ungefähr unseren Schwadronen. Pappenheim wollte diesen Vorteil militärisch ausnutzen und war bis Warburg an der Diemel in Westfalen vorgerückt, als ihn die schlimme Nachricht von der Vernichtung des Ludloi’schen Kavallerie-Korps bei Sarstedt und der Eroberung von Steuerwald traf. Sofort detachierte Pappenheim den General Grafen Gronsfeld gegen den Herzog Georg. Graf Gronsfeld hoffte auf einen ähnlichen Erfolg gegen diesen, wie er ihn soeben gegen die Hessen errungen hatte und rechnete auf schwache und mangelhaft ausgebildete Kavallerie bei der erst kürzlich aufgestellten Armee des Herzogs. Er wollte mit den vier Kavallerie-Regimentern, an deren Spitze er den Überfall bei Volkmarsen ausgeführt hatte, Calenberg entsetzen. Das Unglück des Ludloi’schen Korps schreckt ihn nicht. Denn die Unterführer des Pappenheimschen Heeres hatten eine hohe Meinung von der taktischen Überlegenheit ihrer Kavallerie. Graf Gronsfeld überschritt bei Poppenburg die Leine und zog gegen Calenberg. Aber da zeigte sich sofort wieder Georgs Führereigenschaft. Statt den Gegner vor Calenberg zu erwarten, ging er ihm mit seiner Kavallerie entgegen, griff ihn ungestüm an und trieb ihn mit großen Verlusten über die Leine zurück. Graf Gronsfeld rettete sich nur durch Aufopferung seiner aus fünf Cornetten bestehenden Arrieregarde, die sich am linken Ufer rühmlich hielt und niedergehauen wurde, während er Zeit gewann, die Brücke abbrechen zu lassen, wodurch Georg an der weiteren Verfolgung gehindert wurde. Gronsfeld erreichte Hameln und erbat schleunige Verstärkungen von Pappenheim.

Diese beiden, in kurzer Zeit nacheinander errungenen Vorteile über Unterführer des berühmten Pappenheimschen Heeres ließen Georgs früheren Kriegsruhm wieder hell aufleuchten und die Herzen in der gequälten Heimat voll Hoffnung ihm entgegenschlagen.

Pappenheim, der nun in Georg seinen Hauptgegner erkannte, wandte sich sofort wieder nordwärts aus Westfalen, vereinigte sich in Hameln mit Gronsfeld und rückte, 10 000 Mann Infanterie und 3500 Mann Kavallerie stark, gegen Georg vor. Dieser war inzwischen durch den schwedischen General Baudissin erheblich verstärkt worden und hatte ebenfalls ungefähr 14 000 Mann unter seinem Kommando. Er hob bei Annäherung Pappenheims die Belagerung auf und marschierte gegen Hildesheim, auf welche Stadt er bei der Wichtigkeit derselben als Stützpunkt für Pappenheim einen feindlichen Angriff vermuten mußte. Für Georg war aber der Besitz von Hildesheim ebenso wichtig wie der von Hannover. Pappenheim blieb bis zum 29. Juni vor dem Calenberg in Stellung, marschierte dann vom linken Innersteufer gegen Hildesheim und besetzte die Vorstadt Moritzberg. Dann nahm er eine verschanzte Stellung längs der Innerste, wobei Moritzberg den Mittelpunkt der Stellung bildete und stark verschanzt wurde. Ihm gegenüber, zu beiden Seiten von Hildesheim und auf den Wällen der Stadt selbst nahm Herzog Georg Aufstellung mit seiner Armee, die Kavallerie größtenteils als Reserve im Mittelpunkte der Stellung hart hinter Hildesheim.

Die Innerste trennte beide Armeen. Die an beiden Ufern aufgestellten Posten lieferten sich ein ununterbrochenes Infanteriefeuer. Für beide Teile war ein förmlicher Angriff mit den größten Schwierigkeiten verbunden. Pappenheim ließ mit seiner Artillerie die Stadt Hildesheim beschießen, doch brachte des Herzogs Artillerie die feindliche Batterie nach stundenlanger heftiger Kanonade zum Schweigen. In der Nacht ließ Pappenheim Kavallerie-Detachements mit großer Kühnheit über die Innerste setzen, um die Vorposten Georgs längs des Flusses durch Überfall auszureiben, doch wurden diese Unterbrechungen durch Gegenangriffe vereitelt und die Pappenheimer mit Verlust zurückgetrieben. Der Herzog sah diese nächtlichen Unternehmungen als das Vorspiel zum Angriff an und hielt seine Truppen in Bereitschaft, doch erkannte er bei Tagesanbruch, daß Pappenheim hiermit nur seinen bereits eingeleiteten Abmarsch verschleiert hatte.

Pappenheim war durch mehrere Ursachen zum Rückzuge bewogen worden, deren wichtigste eine dringende Aufforderung des Kurfürsten von Cöln war, Pappenheim möge ihm gegen den schwedischen Feldmarschall Horn zu Hülfe kommen, der von Süden gegen den Niederrhein im Anmarsch war. Auch war Unzufriedenheit in Pappenheims Heere wegen mangelnder Soldauszahlung ausgebrochen. Er beschloß daher, Niedersachsen aufzugeben und zog über Gronau, woselbst sich die Besatzung von Calenberg mit ihm vereinigte, die das Schloß nach Sprengung der Festungswerke geräumt hatte, nach Hameln. Den kaiserlichen Besatzungen in Peine und Steinbrück erteilte Pappenheim den Befehl, zur Verstärkung der Garnison Wolfenbüttel dahin abzumarschieren.

So hatten Georgs Unternehmungen mit glücklichen Erfolgen begonnen. Zweimal war er im offenen Felde siegreich gegen Pappenheims Unterführer gewesen. Pappenheim selbst war ohne Schlacht zum Rückzuge aus Niedersachsen bewogen worden. Die meisten festen Plätze waren vom Feinde geräumt, die Befreiung Niedersachsens schien schon nahe herbeigeführt.