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Reiter vom Blauen Regiment zu Roß 1640

Herzog Georgs Bestreben mußte jetzt dahin gehen, seine gänzlich verzettelten und aufgelösten Truppen wieder zu sammeln. Bei der großen Nähe der Pappenheimschen Armee in Wolfenbüttel und Hildesheim konnte dieses Sammeln nur in nördlicher oder östlicher Richtung geschehen. Georg scheint zuerst gegen Norden zum Schutz der Residenz Celle das Zusammenziehen seiner Truppen beabsichtigt zu haben, denn nach Aufhebung der Blockade von Wolfenbüttel ist der Herzog nach Gifhorn geritten. Von dort erteilte er aber die Marschbefehle an seine Regimenter und detachierten Korps und beorderte sie in die Gegend von Halberstadt. Er ließ nur das Regiment v.d. Heyden in Hannover, sowie die Regimenter von Wurmb und von Merrettig in Braunschweig, auf dringende Bitten des dortigen Rats. Am 7. Oktober schrieb ihm aus Nürnberg der schwedische Kanzler Oxenstierna und empfahl ihm im Namen des Königs Gustav Adolf, eine Aufstellung an der Elbe zu nehmen. Dieser Rat stimmte mit Georgs eigenen Absichten zusammen, der nach den eingegangenen Meldungen ein Vordringen Pappenheims in östlicher Richtung vermuten mußte. Er beabsichtigte also, die Elbübergänge gegen Pappenheim zu sperren, setzte sich auch sogleich mit dem Kurfürsten von Sachsen in Verbindung, der die nahende Hilfe Georgs freudig begrüßte und ihm einen Teil seiner eigenen Truppen unterstellte. Am 19. Oktober ersuchte der Kurfürst den Herzog, auf Torgau zu marschieren zur Vereinigung mit dem sächsischen General-Wachtmeister von Hoffkirchen. Bei Leipzig und Eilenburg hätten sich feindliche Reiter in großer Zahl sehen lassen.

Diese aus südlicher Richtung festgestellten feindlichen Reiter konnten nicht zu Pappenheims Armee gehören, und ein Rückblick auf den großen Kriegsschauplatz ist deshalb hier zum besseren Verständnis angebracht.

Wallenstein hatte seine feste Stellung gegenüber der schwedischen Armee aufgegeben und war in Sachsen eingefallen, in der Absicht, sich der Elbübergänge bei Torgau zu bemächtigen. Es waren also Wallensteinische Reiter, die dem Herzog aus südlicher Richtung im Vormarsch gemeldet wurden.

Am 22. Oktober war Herzog Georg mit seiner Kavallerie in ungefährer Stärke von 2500 Pferden in der Nähe von Torgau angekommen und hatte Hand auf die Elbbrücke gelegt. Die Infanterie war noch weiter zurück, da sie der Kavallerie nicht so schnell hatte folgen können, und stand bei Dessau.

Am 26. Oktober erhielt der Herzog die Meldung, daß feindliche Kavallerie von Süden im Vormarsch auf Torgau wäre. Der Herzog rückte mit der eigenen und der sächsischen Kavallerie dem Feinde entgegen und warf ihn bei Eilenburg in Unordnung über die Mulde zurück.

Dies hatte die Folge, daß Wallenstein seinen Operationsplan auf die Elbe aufgab und beschloß, sich mit Pappenheim, der aus Niedersachsen im Anmarsch war, zu vereinigen. Diese Vereinigung erfolgte zwischen Merseburg und Leipzig.

König Gustav Adolf war inzwischen von Nürnberg über Erfurt ebenfalls nach Sachsen geeilt und stand am 28. und 29. Oktober bei Naumburg. Der König wünschte sich vor der Entscheidungsschlacht, die bei der Nähe Wallensteins und Pappenheims kommen mußte, mit dem Herzog Georg zu vereinigen, und auch der Herzog beabsichtigte, dies zu tun. Er zog seine in Braunschweig zurückgelassenen beiden Regimenter durch Befehl heran und schrieb am 31. Oktober an den König, er würde in Torgau bleiben, und den königlichen Befehl, wo er sich mit dem schwedischen Heere vereinigen solle, abwarten. In Torgau erwartete Georg den Rest seiner Infanterie. Gustav Adolf schrieb am 31. Oktober aus Naumburg an den Herzog, er habe aus dessen Schreiben vernommen, daß der Herzog mit seiner und der sächsischen Kavallerie bei Torgau stehe. Wenn es dem Herzog möglich wäre, außer mit den eigenen Truppen auch mit sächsischer Infanterie und Kavallerie zum Könige zu stoßen, so erwartete derselbe, daß es bald geschehe und der Herzog auf Mittel und Wege sinne, um solches ins Werk zu setzen. Der König wolle in Naumburg bleiben, bis er von Kursachsens eigentlichen Absichten und vom Zustande der feindlichen Armee zuverlässige Nachrichten erhalten werde.

Nun wandte sich der Herzog an den Kurfürsten von Sachsen mit der Bitte, die sächsische Kavallerie bei Torgau mitnehmen zu dürfen, wenn er zur Vereinigung mit dem König aufbreche, was spätestens am 3. November geschehen werde. Aber der Kurfürst verweigerte in seiner Antwort am 2. November dies ausdrücklich, weil er die Truppen selbst gegen Angriffe von anderer Seite nötig hätte, suchte vielmehr den Herzog zu bereden, in Torgau zu bleiben. Der Herzog wandte sich dann noch einmal dringend an den Kurfürsten mit der Bitte, ihm Truppen zur Verfügung zu stellen. Aber erst am 6. November erteilte der Kurfürst den Befehl, daß zwei Infanterie-Regimenter zur Armee des Herzogs stoßen sollten, und teilte dieses auch dem Könige mit.

Aber am 6. November war bekanntlich die Schlacht bei Lützen, die Entscheidung war schon gefallen, der königliche Held lag erschossen. Gustav Adolf war durch die Entsendung Pappenheims nach Niedersachsen von seiten Wallensteins veranlaßt worden, die Ankunft des Herzogs Georg nicht abzuwarten, sondern Wallenstein anzugreifen. Nur die Bedenken des Kurfürsten Johann Georg hatten den Herzog tagelang aufgehalten. Auch mußte er nach des Königs Schreiben annehmen, daß derselbe bei Naumburg bis zur Vereinigung mit Georg stehen bleiben wolle. So war es gekommen, daß der Herzog seinen Wunsch und seine Absicht, dem König mit seiner Armee zu Hilfe zu kommen, nicht hatte ausführen können. Man möchte sich der Vermutung hingeben, daß dann der Sieg bei Lützen für die Protestanten ein viel entscheidender geworden wäre.

Am 11. November zeigte Herzog Georg dem Herzog Bernhard von Weimar, der nach Gustav Adolfs Tode den Oberbefehl übernommen hatte, an, daß er mit seiner Kavallerie in Grimma westlich von Leipzig stände, daß seine Infanterie noch weiter rückwärts bei Calbe und Staßfurt sei, aber Befehl habe, bald nachzurücken. Am 17. November langte des Herzogs Infanterie und Artillerie in Zeitz an.

Nach dem Feldzugsplan, der noch Ende des Jahres 1632 aufgestellt und durch den Kanzler Oxenstierna, den Leiter der Operationen, vertreten wurde, sollte der Herzog Georg mit seiner Armee, der der größere Teil des schwedischen Heeres beigegeben wurde, in Gemeinschaft mit dem schwedischen Feldmarschall von Knyphausen, einem Ostfriesen, durch Hessen und Westfalen marschieren, und hier und in Niedersachsen die Kaiserlichen verjagen. Mit der anderen Hälfte des schwedischen Heeres sollte sich Herzog Bernhard von Weimar nach Franken wenden.

In Westfalen angekommen, eröffnete Georg den Feldzug dort, indem er vier kaiserliche Regimenter bei der Stadt Soest überfiel, und sich sodann außer dieser der Städte Essen, Lippstadt, u.a. bemächtigte. Darauf nahm er Besitz von Osnabrück, Haselünne, Meppen und Vechta, Städte, die damals noch außer Vechta zu den Bistümern Osnabrück und Münster gehörten.

Von Westfalen wandte sich Georg im Februar 1633 nach Niedersachsen, wohin sich die aus Westfalen vertriebenen Kaiserlichen meist zurückgezogen hatten. Georg zeigt sich in diesen Feldzügen des Jahres 1633 als ein Feldherr von ungeheurer Tatkraft und kühnem Unternehmungsgeist. Unzufriedenheit unter seinen Offizieren und Murren im Heere erregte er zwar, weil er ganz ungewohnt große Leistungen verlangte, aber er erreichte damit auch seinen Zweck, die entscheidende Vernichtung des kaiserlichen Heeres in seiner Heimat. Er ist der erste, der seine Truppen jetzt nicht in die Winterquartiere legte, sondern im Februar und März 1633 ebenso in Tätigkeit blieb wie vorher, und dem Feinde nirgends Ruhe ließ. Trotz des Abratens von seiten Knyphausens und der schwedischen Obersten, die für die angestrengten und erholungsbedürftigen Truppen Winterruhe verlangten, unternahm Georg einen Winterfeldzug und rückte gegen die Weser vor. Er stellte das Ziel auf, welches erst den Feldheeren späterer Zeiten eigen geworden ist, die Aufsuchung und Verfolgung des Gegners und seine Vernichtung, unabhängig von der Jahreszeit, so lange es mit den Kräften der eigenen Truppen irgend zu erreichen war. Und er hat es erreicht.

Der Besitz der Weserübergänge war für Georg unerläßlich, wenn er Niedersachsen vom Feinde säubern wollte. Ende Februar 1633 begann Herzog Georg seine Unternehmung zur Eroberung der Weserfestung Hameln, die, wie der andere wichtige Übergang Minden, in kaiserlicher Gewalt war. Zu diesem Zwecke befahl er dem Feldmarschall v. Knyphausen, auf Rinteln zu marschieren, dort die Weser zu überschreiten und darauf Hameln auf dem rechten Ufer zu blockieren. Er selbst wollte währenddem von Lemgo aus auf Hameln marschieren und die Stadt auf dem linken Ufer einschließen.

Knyphausen nahm Rinteln ohne Widerstand ein, doch hatte der zurückgehende Gegner bei Überschreiten der Weser sämtliche Fahrzeuge, Schiffe, Boote und Flöße aufs rechte Ufer mitgenommen. Außerdem war die Weser durch Regenfälle so sehr angeschwollen, daß ein Überschreiten zur Zeit nicht auszuführen war.

Auf die Nachricht von der Wegnahme Rintelns war der kaiserliche General von Gronsfeld von Hildesheim sofort gegen Rinteln vorgerückt. Er ließ der Stadt gegenüber eine Batterie einbauen, die etwaige Versuche zum Überschreiten des Flusses gut beschießen konnte. Vier Kavallerie-Regimenter ließ er zur Beobachtung der Weser in dem Abschnitt Hessisch-Oldendorf—Rinteln unter dem Obersten Harrich. Das Kommando über den Abschnitt Rinteln—Vlotho übertrug Gronsfeld dem Oberst von Asseburg und begab sich selbst nach Minden. Zwischen der kaiserlichen und der schwedischen Artillerie war vor Rinteln ein mehrere Tage dauerndes Feuergefecht. Zum Schutz seiner Batterie hatte der Oberst von Asseburg drei Infanterie-Kompagnien aufgestellt und den Rest seiner Truppe in die Dörfer rückwärts verlegt.

Herzog Georg hatte den Feldmarschall von Knyphausen von Rinteln nach Höxter geschickt, um, statt bei Rinteln, dort den Übergang aufs rechte Weserufer zu erreichen; er selbst blieb in Rinteln. Als nach einigen Tagen das Wasser gefallen war, unternahm der Herzog wieder ein Wagestück, ähnlich dem von Sarstedt, das ihm auch gerade so gut gelingen sollte. Es war ihm eine seichte Stelle oberhalb Rinteln im Flusse gezeigt worden, die im Sommer als Furt für das Weidevieh benutzt wurde. Diese Furt ließ der Herzog bei Dunkelheit von Bauern mit Büschen auf beiden Seiten genau abstecken, ließ auch im Dunkel der Nacht mehrere Geschütze von Rinteln abfahren. Der Feind bemerkte von alledem nichts.

Am Morgen des 2. März um 2 Uhr war der Herzog mit drei eigenen und zwei schwedischen Kürassier-Regimentern, 4000 Pferde stark, dazu einige Kompagnien seines Infanterie-Leibregiments leise aus dem Lager aufgebrochen und hatte sich, um nicht bemerkt werden zu können, auf einem Umwege der Furt genähert. Dagegen ließ er im Lager recht offensichtig und vom Feinde zu hören um 4 Uhr die zurückgebliebenen Truppen wie gewöhnlich zum Frühgottesdienst antreten, was bei den feindlichen Vorposten als alltägliche Erscheinung die Vermutung hervorrufen mußte, daß alles in der bisherigen Verfassung geblieben sei.

An der Furt angekommen, ließ er die Infanteristen auf gut berittene Kürassiere der vorderen Regimenter hinten aufsitzen und die Kürassiere in Kolonnen, zehn Pferde breit und zehn Pferde tief, in voller Ordnung ohne Geräusch die Weser durchreiten. Voran ritt sein Leib-Regiment, und am Anfang der ersten Kolonne als erster der Herzog, einen führenden Bauern an der Seite. Die übrigen Kolonnen folgten in vorgeschriebenen Abständen, und so marschierten die 4000 Reiter ohne irgend einen Unfall noch bei nächtlicher Dunkelheit durch die Weser. Die mitgenommenen Geschütze standen beiderseits der Furt in Stellung, um nötigenfalls den Rückzug zu decken. Am anderen Ufer ließ der Herzog die Infanterie an einer Anhöhe am Ufer in Stellung gehen. Die Kavallerie hatte kaum die Furt durchritten, als in der rechten Flanke kaiserliche Kavallerie erschien, die sich indessen, ohne anzureiten, in Richtung Hameln schleunigst zurückzog und auf des Herzogs Befehl durch ein schwedisches Kavallerie-Regiment verfolgt wurde. Mit den vier anderen Regimentern trabte der Herzog nun im Morgengrauen von rückwärts auf die feindliche Batterie und deren Bedeckung an Infanterie und Kavallerie zu, so daß er die völlig Überraschten im Rücken faßte. Der Überfall gelang vollständig. Die feindlichen Reiter jagten sofort in voller Flucht davon, ebenfalls die Infanterie, die aber zum größten Teil niedergemacht wurde. In breiter Schlachtordnung sind Georgs Kürassiere angeritten, was bei der Masse von 4000 Pferden einen geradezu überwältigenden Eindruck auf die ahnungslos Überfallenen gemacht haben muß.

Fünfhundert Gefangene, drei schwere Geschütze und zwei Fahnen waren außer dem so kühn gewonnenen Übergang die Beute dieses nächtlichen Unternehmens.