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Es folgten auf die glückliche Einleitung der Unternehmungen des Herzogs Georg Ereignisse auf dem großen Kriegsschauplatze in Süddeutschland, welche die Lage für Gustav Adolf, und damit auch für Georg, von Grund aus änderten. Nach der Wiedereinsetzung Wallensteins als kaiserlicher Generalissimus hatte dieser Böhmen erobert, die kursächsische Armee daraus vertrieben und sich dann mit seinem bisherigen großen Gegner, Maximilian von Bayern, bei Eger vereinigt, um im Rücken des Königs von Schweden, der an der Donau stand, zu operieren. Dieser wurde dadurch nach Norden gezogen und nahm eine feste Stellung bei Nürnberg. Wallenstein stellte seine Armee dem Könige gegenüber auf und verschanzte sich gleichfalls. So kam der Krieg hier einstweilen zum Stehen. Gustav Adolf wollte eine Entscheidung herbeiführen und zog deshalb seine Detachierungen im Reich an die Hauptarmee heran. Dieser Befehl, sich an die Armee des Königs heranzuziehen, traf auch den Herzog Georg, der aber, gestützt auf den Würzburger Traktat, diesem Befehl keine Folge leistete. Dann so lange Pappenheim noch mit seiner Armee wie eine drohende Wetterwolke über Niedersachsen lag, konnte der Herzog ihm die welfischen Lande nicht schutzlos überlassen. Georg wünschte vielmehr, den Grafen Pappenheim zu verfolgen, erreichte auch hierzu die Zustimmung der Herzöge und des schwedischen Kriegsrats. Georg brach also zur Verfolgung Pappenheims von Hildesheim auf und marschierte in Richtung auf Höxter, um hier die Weser zu überschreiten. Da erhielt er die Meldung, daß Pappenheim in Eilmärschen nach dem Rhein ziehe, um dem Kurfürsten von Köln gegen die Schweden Unterstützung zu bringen. Jetzt nahm Georg von der Verfolgung durch Westfalen Abstand. Die Verpflegung seiner Armee auf den Spuren der ihm voranmarschierenden Pappenheimschen hätte nicht sichergestellt werden können. Georg fühlte, daß er in der Heimat noch viel mehr nützen könne, und beschloß jetzt, sich zunächst der von kaiserlichen Truppen besetzten Stadt Duderstadt im Eichsfelde zu bemächtigen.

Der Besitz Duderstadts war militärisch und politisch wichtig. Das Eichsfeld war kurmainzisch, fast nur von Katholiken bewohnt, und Duderstadt selbst war für die Kaiserlichen und Liguisten vortrefflich geeignet als fester Waffenplatz und Stützpunkt für ein Heer, das vom Main oder von Thüringen her in Niedersachsen einzufallen beabsichtigte. Der Herzog wußte, daß Pappenheim mit großem Eifer an der Ausgestaltung der Befestigungswerke arbeiten ließ, daß ausgehobene Landleute Tag und Nacht tätig sein mußten, aus Duderstadt eine Festung ersten Ranges zu machen. Die Kaiserliche Besatzung bestand aus 1100 Mann Fußvolk, 400 Reitern und 2000 Mann vom kurmainzischen Heerbann, die noch ausgebildet wurden. Der Herzog wollte, in der Meinung, daß die Befestigung um die Stadt noch nicht vollendet wäre, sich durch Handstreich derselben bemächtigen. Ein solches Unternehmen setzt kühnen Wagemut voraus, der auch, wenn es einmal in die Wege geleitet ist, vor Überraschungen unangenehmer Art nicht zurückschreckt. So kam es hier. Die eingegangenen Meldungen waren zum Teil unrichtig gewesen, die Befestigung der Stadt war völlig geschlossen. Aber Georg ließ sofort Gräben an die äußere Mauer heranführen und Bresche schießen. Am 25. Juli waren die Annäherungsgräben bis an die Vormauer herangeführt. Georg befand sich in Person im Graben und untersuchte eine Bresche in der Vormauer, auf die er den gewaltsamen Sturmangriff richten wollte. Da erschien, vom feindlichen Kommandanten geschickt, ein Offizier, der dem Herzog eine Kapitulation der Festung anbieten ließ. In der Stadt wäre Meuterei der Besatzung ausgebrochen, die das Leben des Kommandanten und der Offiziere bedrohe. Der Herzog möge sogleich von der Stadt Besitz nehmen und die Offiziere schützen. Georg ließ zwei Infanterie-Regimenter durch das ihm geöffnete Stadttor einrücken, welche nach kurzem Kampfe die Aufrührer auseinandertrieben. Die Besatzung nahm zum Teil Dienst in den Regimentern des Herzogs, der dadurch seine Bestände leicht ergänzen konnte, der Rest der Kaiserlichen und der Heerbannleute verlief sich. Mit den 400 erbeuteten Kavalleriepferden wurden des Herzogs Reiter-Regimenter ergänzt. Außerdem wurden 12 schwere Geschütze erbeutet, und viele Gewehre und Munition.

Artillerie Georgs von Calenberg

Aber wie sehr ihn auch das Glück bei der Einnahme Duderstadts begünstigt hatte, seinen Plan, aus der Festung einen starken Waffenplatz zu errichten, konnte der Herzog gegen die Beschlüsse des Kriegsrats nicht aufrecht erhalten. Der Kriegsrat fürchtete, bei der Befestigung und Besetzung der Stadt zu viele Truppen von der ohnehin schwachen Wehrmacht abgeben zu müssen. Mit Ausnahme des Herzogs war der ganze Kriegsrat der Meinung, die Werke sollten geschleift und die Stadt sollte verlassen werden. Höchst ungern mußte Georg sich fügen.

Der Herzog war leider nicht selbständiger Herr seiner Entschließungen, sondern mußte sich nach den Ansichten des Kriegsrates richten, dessen gewichtigste Stimme er als anerkannt guter Feldherr wohl selbst war, dessen Meinungen aber doch oft auseinandergingen. So war es besonders jetzt, wo es sich um den Verfolg der weiteren Kriegsoperationen handeln mußte. Die schwedischen Offiziere im Kriegsrat waren der Meinung, dem Befehle Gustav Adolfs zufolge müßte der Herzog mit dem ganzen Heere nach Westfalen gegen Pappenheim aufbrechen. Der Herzog Friedrich Ulrich von Wolfenbüttel mahnte aber immer dringender, daß nun die sofortige Belagerung und Befreiung seiner Hauptstadt, wie zugesagt sein, erfolgen müsse. Georg entschied sich auch hierfür, und begründete seine Ansicht damit, "daß sowohl in dem Vergleiche, den er selbst mit dem König von Schweden zu Würzburg, als auch in dem Traktat, den der Herzog von Wolfenbüttel später mit selbigem abgeschlossen habe, ausdrücklich festgesetzt sei, daß die Wiedereroberung der Festung Wolfenbüttel der erste Gegenstand der Unternehmung der schwedischen Truppen und ihrer Niedersächsischen Alliierten sein solle". Der Entschluß, zu dem der Kriegsrat schließlich kam, war aber leider ein Kompromiß, der beide Meinungen vereinigen sollte, und der den Keim des Mißlingens in sich tragen mußte: die Armee sollte getrennt werden. Der Herzog sollte mit der halben Armee Wolfenbüttel belagern, mit der anderen Hälfte sollte der schwedische General von Baudissin nach Westfalen marschieren, um Pappenheim zu beobachten. Die Teilung einer kleinen Armee hat meist die Folgen, daß keiner der gestellten Aufgaben kraftvoll begegnet werden kann, und daß die getrennten Armeeteile in die Gefahr geraten, einzeln geschlagen zu werden. Der Herzog Georg wäre mit seinem vereinigten Heere dem des Grafen Pappenheim gewachsen gewesen, er hätte auch mit seinem vereinigten Heere zu einer aussichtsreichen Belagerung von Wolfenbüttel schreiten können. Wo er nun aber wie hier seine Streitkräfte teilen mußte, konnte auf keiner Seite etwas Entscheidendes erwartet werden. Schweren Herzens und voll Grimm mußte Georg sich dem Beschlusse fügen.

General v. Baudissin setzte sich mit den Schweden also nach der Weser in Marsch, Georg, vereinigt mit den Wolfenbüttelschen Truppen des Generalmajors von Lohausen, marschierte nach Wolfenbüttel. Hier vereinigte sich mit ihm der wolfenbüttelsche Oberst von Mützephal, der ein schwaches, meist aus Ausschuß-Kompagnien bestehendes Korps führte. Der Herzog schloß Wolfenbüttel von allen Seiten ein. Noch während des Anmarsches am 9. August wurde ein feindlicher Ausfall nach lebhaftem Gefecht, wobei die Kaiserlichen zwei Geschütze verloren, zurückgeschlagen. Auch ein zweiter, am 15. August unternommener Ausfall wurde zurückgeschlagen, doch nahmen die Kaiserlichen dabei den schwedischen Kriegskommissar, Oberst Anderson, gefangen.

Aber der Herzog Friedrich Ulrich, der doch so dringend für die Belagerung seiner Residenz gestimmt hatte, war nicht einmal zu dem Entgegenkommen geschritten, Verpflegung in Magazinen für die Belagerungsarmee bereit stellen zu lassen. Von weither mußte gewaltsam requiriert werden, und die Kavallerie mußte Georg wegen fehlender Fourage bis ins Magdeburgische verlegen. Dadurch war die Lage für Georg sehr schwierig, zumal seine Truppen kaum um die Hälfte stärker als die kaiserliche Besatzung waren. Auch machte sich Munitionsmangel bemerkbar. Seinen Bruder in Celle, den Herzog Christian der Ältere, vermochte Georg nicht zur Unterstützung durch Lieferungen zu bewegen, vielmehr geriet er mit ihm in Mißhelligkeiten wegen der Forderungen, die das in Winsen noch in der Formierung begriffene Regiment von der Heyden an den Herzog Christian zu stellen hatte.

Aber die Hauptschwierigkeiten kamen noch. Der General v. Baudissin hatte bei Höxter die Weser überschritten, hatte Warburg und Volkmarsen besetzt und aus Paderborn kaiserliche Werbe-Depots vertrieben. Da kam Pappenheim vom Rhein zurück und drang mit seiner vereinigten Macht gegen die Weser vor. Baudissin zog sich nach Höxter in eine verschanzte Stellung zurück und bat den Herzog dringend um Unterstützung. Schon der Kriegsrat hatte dem Herzog den Rat gegeben, Wolfenbüttel nur zu blockieren, und zwar mit seinen eigenen Regimentern, den Generalmajor von Lohausen aber mit allen anderen Truppen dem General v. Baudissin zu Hülfe zu schicken. Dem Herzog konnte die ihm zugedachte Rolle, Wolfenbüttel, welches er erobern wollte, nur zu blockieren, seine Armee aber ganz aufzulösen, natürlich nicht gefallen, und erst durch die dringenden Unterstützungsrufe Baudissins fühlte er sich bewogen, ihm den Generalmajor v. Lohausen zu Hülfe zu schicken. Am 20. September setzte sich Lohausen mit sieben Regimentern aus dem Lager von Wolfenbüttel in Marsch auf Höxter.

Nun verblieben dem Herzog außer seiner eigenen Infanterie nur noch Ausschußkompagnien des Herzogs von Wolfenbüttel und die Stadtkompagnien von Hannover. Georgs Kavallerie lag, wie erwähnt, zum großen Teil weit rückwärts im Halberstädtischen und Magdeburgischen. Die Blockadetruppen wurden in drei Teile geteilt, und zwar stand der Hauptposten unter dem schwedischen Obersten King zu Halchter, südlich der Festung, wo sich auch der größte Teil der wolfenbüttelschen Truppen befand, ein zweiter Posten zu Linden, südöstlich der Festung, unter dem Oberst Mützephal, ein dritter zu Thiede und Fummelse, westlich, unter dem Oberst von Meerettig. Der Oberst King führte den Oberbefehl über die beiden Posten von Halchter und Linden. Herzog Georg stand mit der Hauptreserve unter dem Oberst v.d. Heyden in Kl.-Stöckheim zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig. So waren nur die Hauptausgangsstraßen der Festung blockiert.

Inzwischen war Pappenheim mit seiner Armeeabteilung vor Höxter angekommen. Um den schwierigen frontalen Angriff auf die verschanzte Stellung des General v. Baudissin zu vermeiden, setzte Pappenheim eine geschickte Umgehung der Stellung ins Werk, indem er einen Teil seiner Truppen bei Polle über die Weser gehen und Baudissin im Rücken beschießen ließ. Die natürliche Folge war die Unhaltbarkeit der Stellung. Baudissin sah sich gezwungen, sich bei Nacht auf Münden zurückzuziehen.

General v. Lohausen, der Baudissin unterstützen sollte, war auf dem Vormarsch auf Höxter über Seesen hinaus gelangt, als er den Rückzug des General v. Baudissin auf Münden erfuhr. Er wagte sich nun nicht mehr ins Leine-Tal vor, aus Besorgnis, allein auf den überlegenen Pappenheim zu stoßen, sondern zog eilig in den Harz, um südlich dieses Gebirges über Duderstadt die Vereinigung mit dem General v. Baudissin zu suchen. Er sowohl wie Baudissin begingen aber den Fehler, dem Herzog keine Meldungen über ihre Bewegungen zukommen zu lassen. Georg mußte daher die beiden Heeresabteilungen, wahrscheinlich vereint, jedenfalls zwischen seinen Blockadetruppen und Pappenheim vermuten. Er bekam am Morgen des 24. September die Meldung von Pappenheims Weserübergang bei Polle, und glaubte nun sinngemäß, daß Baudissin in Verbindung mit Lohausen sich direkt an ihn wieder heranziehen würden. Er rechnete aber mit der Wahrscheinlichkeit eines Entsatzes von Wolfenbüttel vor seiner Vereinigung mit Baudissin und wollte in diesem Falle wegen der geringen Zahl seiner Truppen die Blockade zeitig aufgeben und sich in nördlicher Richtung zurückziehen. Er gab an die einzelnen Abschnittskommandanten vor der Festung die hierfür nötigen Direktiven, die darauf hinausliefen, daß sämtliche Blockadetruppen sich auf Klein-Stöckheim zurückziehen sollten.

Am 25. September, noch bei Dunkelheit, durchbrach der General Graf Gronsfeld mit Pappenheims Kavallerie überraschend den schwachen Blockade-Ring und entsetzte die Festung, und Herzog Georg zog seine Reserve und die Blockadetruppen mit starken Verlusten auf Braunschweig zurück. Der Oberst King war verwundet in Gefangenschaft geraten. Nach Braunschweig zog sich auch das Regiment von Meerettig zurück, das der Herzog am Tage vorher nach Hildesheim detachiert hatte, das aber bei seiner Ankunft vor Hildesheim Pappenheim mit seinen Truppen dort bereits vorgefunden hatte.

Baudissin und Lohausen abgedrängt, Pappenheim vor Hildesheim, Wolfenbüttel entsetzt, das waren die Folgen von dem unseligen Beschluß des Kriegsrates, gegen Georgs bessere Meinung und Willen, die Armee zu verschiedenen Aufgaben zu trennen. Keine dieser Aufgaben hatte gelöst werden können. Auch war die Folge der unterlassenen Meldungen der beiden Generale von Baudissin und von Lohausen der Überfall auf die Blockadetruppen.

Für den Herzog waren die Verluste vor Wolfenbüttel und die am 29. September erfolgende Einnahme von Hildesheim sehr schmerzlich, obwohl nicht ihm, sondern allein dem Kriegsrat ein Vorwurf deswegen gemacht werden konnte.